Die Frage OP Ja oder Nein – ist eine immer wieder gestellte Fragestellung in der Kreuzbandrehabilitation.
In erster Linie muss zwischen Kreuzbandverletzungen ohne und mit Begleitverletzungen unterschieden werden.
- ohne Begleitverletzungen – das Kreuzband allein ist gerissen
- ohne weitere Verletzungen besteht die Möglichkeit den Kreuzbandriss konservativ (Physiotherapie) zu behandeln – ohne etwaige OP.
- Um hier die richtige Entscheidung zwischen OP und keiner OP zu treffen, kann das Delaware Screening verwendet werden. (im Anschluss genauer beschrieben)
- mit Begleitverletzungen
- Meniskusverletzungen, Verletzungen anderer Bänder (Seitenband), Knorpelverletzungen,
- zumeist eine operative Versorgung empfohlen (ärztliche Entscheidung)
Einige Daten der aktuellen Wissenschaft zeigen keinerlei Unterschiede zwischen einer Behandlung eines Kreuzbandrisses mit Physiotherapie oder durch eine Operation. (Saueressig 2022)
Anzumerken ist zuletzt jedoch, dass bei einer hohen sportlichen Anforderung aufgrund der aktuellen Datenlage oft einer operativen Versorgung geraten wird – da es noch momentan noch begrenzte Daten über den Wiedereinstieg in den Sport bei konservativ versorgten Kreuzbandrissen (mittels Physiotherapie) gibt.
Daher ist die momentane Empfehlung anhand eines gemeinsamen Prozesses mit verschieden Berufsgruppen (Arzt, Physiotherapeut) eine auf den jeweiligen Patienten angepasste Entscheidung zu finden.
Ein möglicher Anhaltspunkt, um diese Entscheidung zu treffen, bietet dabei das Delaware Screening (Urhausen 2024)
Delaware Screening
Das Delaware Screening ermöglicht eine fundierte Entscheidung darüber, ob ein Kreuzbandriss operativ behandelt oder durch Physiotherapie therapiert werden sollte.
Phase 1 / Prüfen ob Begleitverletzungen vorhanden sind
- bei Begleitverletzung wird eine operative Versorgung empfohlen (nach Arztentscheidung)
- mögliche Begleitverletzungen: Verletzungen Seitenbänder, Knorpelschaden, reperable Meniskusschäden
Wenn es keine relevanten Begleitverletzungen gibt, kann ein Behandlungsversuch mittels Physiotherapie durchgeführt werden. Wobei es spezifische Ziele gibt, die in Phase 2 und Phase 3 der Behandlung nach vorgegebenen Behandlungszeiten erreicht werden sollten.
Phase 2 – 8 Wochen Physiotherapie
- Ziele nach ca. 8 Wochen
- 70% Kraft des vorderen Oberschenkels im Seitenvergleich
- hüpfen auf dem betroffenen Bein ohne Schmerz
- voller Bewegungsausmaß (vor allem Streckung)
- keine/geringe Schwellung
Beim Erreichen der Ziele gilt es weiter in Phase 3 einzusteigen. Beim Nichterreichen der Ziele sollte eine operative Versorgung nun durchgeführt werden.
Phase 3 – weitere 4 Wochen Physiotherapie
- Ziele nach weiteren ca. 4 Wochen
- 80% 6-Meter Einbeinweitsprung im Seitenvergleich
- 60%/80% Rating auf Kniefragebogen
- max 1x relevantes wegknicken des Knies innerhalb der Zeit
- mit 24 h Schmerzen und 48h Schwellung danach
Werden die oben angeführten Ziele innerhalb der 3 – monatigen Therapie erreicht, so kann davon ausgegangen werden auch im weiteren Verlauf sehr wahrscheinlich keine weitere Operation zu benötigen.
Sind die Ziele während der Therapie nach 8 oder weiteren 4 Wochen nicht zu erreichen ist dies eine Empfehlung zur nachträglichen Operation. (Urhausen 2024)
Im schlimmsten Fall „verlierst“ du dann durch den konservativen Therapieversuch (Physiotherapie) 3 Monate an Rehabilitationszeit – welche jedoch eine perfekte Vorbereitung auf deine Operation darstellt.
Weitere Fakten aus aktueller Wissenslage
- Konservativ versorgte Patienten (Physiotherapie) haben ein geringeres Osteoarthroseririko (Risiko für einen Gelenksknorpelverschleiß) (Saueressig 2022)
- Konservativ versorgte Patienten (Physiotherapie) haben ein gering höheres Risiko für eine weitere Meniskusverletzung. (Saueressig 2022)
- Der Return-to-Sport ist für konservativ versorgte Patienten (Physiotherapie) noch schlecht untersucht (höchtes Level) – ansonsten bestehen keine Unterschiede (Saueressig 2022, Pedersen 2021)
Anzumerken ist also zusammenfassen nochmals, dass bei einer hohen sportlichen Anforderung aufgrund der aktuellen Datenlage oft einer operativen Versorgung geraten wird – da es noch zu wenige Daten über den Wiedereinstieg in den Sport bei konservativ versorgten Kreuzbandrissen (mittels Physiotherapie) gibt.
Dieser Artikel ersetzt keine spezifische medizinische Beratung durch ein Fachpersonal.
Fragen zu deinem spezifischem Problem?
Melde dich ganz unverbindlich bei mir – ich nehme mir gerne Zeit für ein persönliches Gespräch! Gemeinsam finden wir den besten Weg, damit du dich wieder schmerzfrei bewegen kannst.
Quellen
Urhausen 2024: Patient Acceptable Symptom State Thresholds for IKDC-SKF and KOOS at the 10-Year Follow-up After Anterior Cruciate Ligament Injury: A Study From the Delaware-Oslo ACL Cohort
Saueressig 2022: Führt eine nichtoperative Therapie nach Ruptur des vorderen Kreuzbandes zu ähnlich guten Ergebnissen wie eine Operation?
Pedersen 2021: Management after acute rupture of the anterior cruciate ligament (ACL). Part 1: ACL reconstruction has a protective effect on secondary meniscus and cartilage lesions
BEITRAG TEILEN